Statt nach Wahrheit zu suchen, die positiv nicht unmittelbar zutage treten kann, und deutlich zu machen, warum, erhält aufs Neue die sinnliche Gewissheit Vorrang: Es gäbe einerseits historische Tatsachen und andererseits Narrative; bei den Tatsachen fragt sich niemand, auf welcher Grundlage sie als Tatsachen überhaupt wahrgenommen werden können und als geltend betrachtet werden; bei den Narrativen wird als erwiesen betrachtet, dass die Tatsachen bloße Versatzstücke des Erzählens sind – und indem es als Erzählen bezeichnet wird und nicht als Ideologie, erspart man sich auch darüber, was überhaupt erzählt werden kann, weiter nachzudenken. In der Gewissheit, die Tatsachen auf ihrer Seite zu haben, behandeln dann die einen den Holocaust oder den jüdischen Monotheismus als Narrativ Israels, die anderen die postkoloniale Theorie und den Antirassismus als Narrativ der Antisemiten beziehungsweise Antizionisten. Letzteres macht allerdings einen Unterschied ums Ganze – nur kann eben diesen Unterschied nicht begreifen, wer verleugnet, dass »zwischen Antisemitismus und Totalität von Anbeginn der innigste Zusammenhang« bestehe, wie es in der Dialektik der Aufklärung heißt. Gerade von Totalität, das heißt vom Kapitalverhältnis, will man ja im Namen der Tatsachen und der Narrative, der News und der Fake News keinen Begriff mehr haben.