Wohlgemerkt: Es lässt sich sehr vieles über die Mechanismen und die Funktionsweise des Antisemitismus sagen, auch eine historische Genealogie lässt sich aufzeigen, nicht zuletzt auch lassen sich verschiedene Erscheinungsformen in typisierter Form benennen. Eine Definition aber verlangt Eindeutigkeit, wo doch gerade deren Gegenteil – nämlich das »Gerücht über die Juden« (Adorno) – die Anziehungskraft und Wirkungsmacht des Antisemitismus ausmacht. Insofern ist es gar kein Zufall, dass die »Arbeitsdefinition« so vage und unspezifisch ist. Die vielen Beispiele für Antisemitismus, die sie an den Haupttext anschließend aufführt, machen ihr Scheitern nur noch offensichtlicher. Wäre die Definition gelungen, dann bräuchte es keine Beispiele, weil jeder entsprechende Fälle ohne Weiteres aus der allgemeinen Bestimmung ableiten könnte. Dass aber gerade dort, wo in der Arbeitsdefinition der Antisemitismus als »bestimmte Wahrnehmung von Juden« bezeichnet wird, jede nähere Bestimmung ausbleibt, liegt nicht an den mangelnden wissenschaftlichen Fähigkeiten derer, die den Satz formuliert haben, sondern am unverfügbaren, sich jeder begrifflichen Rubrizierung entziehenden Wesen des Phänomens selbst.