Sexzwangsarbeit in KZ-Bordellen als Tabu in der Erinnerung?

Mit Beginn des Krieges erließ Reinhard Heydrich ein Rundschreiben »Zur polizeilichen Behandlung der Prostitution«, das die Grundlage für die Wiedereinführung von Bordellen und die Kontrolle der Prostitution bis zum Ende des Krieges mit Verweis auf die Notwendigkeit der »Verhinderung von Geschlechtskrankheiten«, die zur »Beeinträchtigung der Wehrkraft« führten, bildete. Dieses Streben nach totaler Kontrolle sollte nicht nur das ›Altreich‹, sondern alle besetzten Gebiete umfassen, und wurde mit der Errichtung verschiedenster Bordellstrukturen (SS-, Wehrmachts-, Fremdarbeiter- sowie KZ‑/Häftlingsbordelle) umgesetzt: »Ein flächendeckendes System staatlich-kontrollierter Bordelle, das aus zivilen, militärischen sowie Bordellen für Zwangsarbeiter bestand und sich zugleich in das System der KZ erstreckte, überzog Europa.« So wurden im Nationalsozialismus einerseits verschiedenste Frauen aufgrund realer oder zugeschriebener Sexualität und Homosexualität als »Asoziale« oder Lesben verfolgt, gleichzeitig übernahm der NS-Staat immer mehr die Rolle des Zuhälters in staatlich angeordneten Bordellen: Im Zuge der »vorbeugenden Verbrechensbekämpfung« des Reichsinnenministeriums wurden Prostituierte systematisch überwacht, aus der Öffentlichkeit gedrängt, und durch Polizei und Gesundheitsämter schikaniert. Gleichzeitig ermöglichte aber das Rundschreiben von Heydrich 1939 die Wiedereinführung von Bordellen in »besonderen Häusern«, deren Bereitstellung die Polizei zu organisieren hatte. Es wies zudem auf die Einhaltung »rassischer Grundsätze« hin: jüdische Prostituierte waren seitdem aus der Prostitution, sowohl in Bordellen als auch in den später entstehenden Lagerbordellen ausgeschlossen, ebenso wie jüdische Bordellbesucher. Die Errichtung der Lagerbordelle ab 1942 fügt sich in diese inkohärente Prostitutions- und Sexualpolitik ein.

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