Allerdings hatte für das Rätsel, warum Heidegger und Schmitt so umstandslos an die Stelle von Marx und Engels treten konnten, bereits Gershom Scholem die Auflösung gegeben, noch ehe es sich stellte, indem er eben jene Ontologie als „deutschtümelnde Kabbalistik“ charakterisierte. Weder Scholem noch Adorno, der die geniale Assoziation aufgriff, haben deren Inhalt expliziert. Umso mehr sind es nun französische, italienische und amerikanische Intellektuelle, welche sich ostentativ auf die Traditionen des Judentums berufen, wie Derrida, Agamben und Butler, die das Aperçu auf ihre Weise wörtlich nehmen, um sich offenkundig oder indirekt mithilfe der Kabbalistik an die Existentialontologie zu assimilieren … Heidegger und Schmitt sind lediglich von ihrem Deutschtümeln zu befreien und schon hat man die zwei wichtigsten Kabbalisten der Gegenwart gewonnen. Anders als Lévinas in seiner frühen Kritik des Liberalismus sind Derrida und Agamben – mit Scholem gesprochen – ‚Sabbatianer‘ nach Auschwitz. So ersetzen sie auch das Angesicht des Anderen, dessen Verklärung zum „Ereignis des Seins“ Lévinas dem Sein zum Tode entgegensetzte, durch das nackte Leben, das gar kein „Von-Angesicht-zu-Angesicht“ mehr kennen kann. Ihre Philosophie ist unausgesprochen oder explizit vom Standpunkt des ‚Muselmanns‘ im Vernichtungslager aus entworfen: ‚Muselmann‘ war in der Lagersprache das Wort für den, der jeglichen Überlebenswillen verloren zu haben schien. Aber sie ist es nur zu dem Zweck, dass der ‚Muselmann‘ als Jude nicht mehr genannt werden soll.