»Nur auf den Akt des Überlieferns kommt es an: Ihm geht keine Verstehbarkeit voraus«

David Hellbrück: Das heißt zunächst … Shoah nicht nur – so wichtig es ist – auf den kulturindustriell verarbeiteten Vergangenheitsbewältigungskitsch zu beziehen, deren Aussöhnung er sich ohnehin schon verbietet, sondern auf sein Werk selbst – insbesondere auf diejenigen Filme, deren Stoff sich nicht aus den Dreharbeiten von Shoah ergaben: auf Pourquoi Israël (1973) und Tsahal (1994), werden dort – was die Linke insgeheim schon immer störte und die postnazistische Gesellschaft ohnehin beiseiteschob – die Juden nicht als Opfer präsentiert, sondern als jene, die sich die notwendige staatliche Gewalt aneigneten, um sich ganz nüchtern gegen den Antisemitismus qua zionistischer Kraftanstrengung zur Wehr zu setzen. Doch auch hier gibt es noch Unterschiede: während Pourquoi Israël noch den Aufbau Israels zeigt, in den Bannkreis des antikolonialen Befreiungskampfs gehört, eine Kritik an Jean-Paul Sartre ist (bei dem Lanzmann nicht bloß in die Schule ging, sondern von dem er sich, nebenbei bemerkt, glücklicherweise auch wieder abgestoßen hat), gewissermaßen also ein Film für die Linke Frankreichs ist, der ihr zeigen soll, dass der antikolonialistische Kampf nicht notwendig antizionistisch sein muss, braucht Tsahal auf diese Fragen keine Antwort mehr formulieren … Lanzmann, ein glänzender Zuschauer seiner Filme, schreibt über Tsahal: Der Film handelt von der »erneuten Wiederaneignung von Gewalt durch die Juden. Die Juden Europas waren zum Untergang verurteilt, weil sie über keinen politischen Status und keinen nationalen Staat verfügen. Sie waren überflüssig geworden, lebende Tote. In einer Welt, die sich aus Nationalstaaten zusammensetzt und in der nur der Staat Schutz bieten kann, hatten sie keine Chance …“

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