Die Gesellschaft wird in Teile zerlegt und diese sind mit den Farbstiften der Intersektionalität identitätspolitisch zu markieren, mittlerweile farblich nuancierter durch die »multidirektionale Erinnerung« (Rothberg). Die roten Sektionschefs können sich dann bei Vergabe von Subventionen und Projektgeldern danach richten. Soweit verläuft alles in sozialdemokratischen Bahnen – und führt weit weg von radikaler Kritik, der es im gleichen Maß um die Einheit gehen muss wie um die Teile selber. Für solche Teile, die sich zur deutschen »Mehrheitsgesellschaft« addieren lassen, sobald umgekehrt die jüdische Bevölkerung und andere Opfergruppen zu den Minderheiten gezählt werden, mag an sich die Bezeichnung ›Menschen mit Nazihintergrund‹ durchaus treffend sein (ungefähr so wie Götz Alys Volksstaat-Buch), nährt allerdings auf der anderen Seite auch einen gewissen nationalen Sündenstolz. Vor allem aber wird dabei nahegelegt, dass mit der Arisierung – in Analogie zur Kolonialisierung – das ganze Wesen des Nationalsozialismus auf den Begriff gebracht wäre. Genau so unterläuft aber die postcolonial theory – die auch für die Juden eine eigene Sektion vorsehen mag, allerdings nur als Minderheit in der Diaspora – nun sogar am Gegenstand des Nazierbes, was antideutsche Kritik einmal als Postnazismus bestimmt hat. Denn wird – wie in dieser Kritik – die Arisierung als eine von mehreren Phasen im Prozess der Vernichtung der Juden begriffen, der keinerlei kolonisierenden Zweck weil überhaupt keinen Zweck hatte, dann heißt das für die Einheit, die aus diesem Vernichtungsprozess hervorging, etwas ganz Bestimmtes, das postcolonial theory zu leugnen geradezu erfunden worden ist: Durchs Kapitalverhältnis konstituiert besitzt die Einheit nicht anders als vor der Shoah ein entsprechendes Potential, die Vernichtung erneut in Gang zu setzen – nur dass dieses Potential unter den neuen, vom Sieg der Alliierten über Nazideutschland geschaffenen Bedingungen nicht unbedingt dessen Nachfolgestaaten vorbehalten bleibt. Sein erweitertes ›Einzugsgebiet‹ nimmt jetzt vielmehr im Verhältnis zum jüdischen Staat Gestalt an, am konkretesten und gefährlichsten im derzeitigen Regime des Iran.