Die Revolutionstheorie tritt das Erbe der idealistischen Geschichtsphilosophie an, aus deren Kritik sie gewonnen ist. Ihre Aporien sind der Sache nach diejenigen der idealistischen Geschichtsphilosophie. Für diese ergab sich bereits das Problem, dass ein konsistenter Begriff von Geschichte die Einheit seines Gegenstandes voraussetzt, mithin den gesamten Geschichtsprozess als eine Totalität begreifen muss, die sich gemäß ihrem inhärenten Entwicklungsprinzip entfaltet. Die Idee der Totalität als die Vollständigkeit der Reihe der Bedingungen zu einer gegebenen Erscheinung wird nach Kant notwendig von der Vernunft gefordert und ist Thema der transzendentalen Dialektik in der Kritik der reinen Vernunft. Als einer Idee kann ihr selbst kein Gegenstand möglicher Erfahrung korrespondieren, sie ist vielmehr erschlossene Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung überhaupt. Da die absolute Totalität der Bedingungen die Erkenntnis von Gegenständen möglicher Erfahrung begründen soll, muss sie selbst nach Zeitbestimmungen organisiert sein. Dass überhaupt eine bestimmbare Entwicklung sei, setzt erkenntnistheoretisch den Unterschied einer regressiven und einer progressiven Synthesis in der Zeit voraus. Die Unterscheidung von regressiver und progressiver Synthesis führt Kant im ersten Abschnitt zur Antinomie der reinen Vernunft, im System der kosmologischen Ideen ein: »Ich will die Synthesis einer Reihe auf der Seite der Bedingungen, also von derjenigen an, welche die nächste zur gegebenen Erscheinung ist, und so zu den entfernteren Bedingungen, die regressive, diejenige aber, die auf der Seite des Bedingten, von der nächsten Folge zu den entfernteren, fortgeht, die progressive Synthesis nennen. Die erstere geht in antecedentia, die zweite in consequentia. Die kosmologischen Ideen also beschäftigen sich mit der Totalität der regressiven Synthesis, und gehen in antecedentia, nicht in consequentia. Wenn dieses letztere geschieht, so ist es ein willkürliches und nicht notwendiges Problem der reinen Vernunft, weil wir zur vollständigen Begreiflichkeit dessen, was in der Erscheinung gegeben ist, wohl der Gründe, nicht aber der Folgen bedürfen.« Paradoxerweise ergibt die Reflexion auf die Bedingung der Möglichkeit des Begriffs der Geschichte also eine durch die Gegenwart gespaltene Totalität, wodurch der Begriff der Totalität selbst zerstört wird. Der Unterschied von regressiver und progressiver Synthesis ist nicht haltbar, da in jedem Zeitpunkt diese sich in jene verwandelt, der Indifferenzpunkt der Gegenwart ist also nicht fixierbar. Und doch macht gerade diese Unterscheidung von regressiver und progressiver Synthesis »den logischen Kern jedes denkbaren Begriffs von Geschichte aus«, und zwar eines Begriffs von Geschichte, der Kausalität durch Freiheit voraussetzt, also das Vermögen aus absoluter Spontaneität eine »Reihe von Erscheinungen, die nach Naturgesetzen läuft, von selbst anzufangen«. Der von Kant durch die Unterscheidung nach regressiver und progressiver Synthesis gespaltene Begriff der absoluten Totalität der Reihe der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten ermöglicht den rekursiven Schluss auf die Bedingungen der Möglichkeit des Gegenwärtigen, ohne umgekehrt eine vollständige Theorie der Genesis des Resultats aus seinen Bedingungen zu geben. Dagegen implizierte die Vorstellung einer gegenwärtigen Erscheinung, die zugleich die Totalität aller vergangenen Bedingungen als auch künftigen Folgen in sich enthielte, die Idee einer göttlichen Vorsehung und schlösse mit der Kausalität durch Freiheit zugleich das geschichtlich wirkmächtige Handeln empirischer Subjekte prinzipiell aus. Die Abwehr des Determinismus durch Kant gelingt jedoch nur um den Preis eines inkonsistenten Begriffs von Geschichte, deren Vergangenheit vollständig abgeschlossen ist und deren Zukunft gänzlich unbestimmt bleibt.