Johannes Agnoli: Mein Zugang zu Marx war, um darauf zurückzukommen, kein intellektueller. Hinter diesem Zugang stand schon eine gewisse Lebenserfahrung. Ich war damals immer wieder über meine Studienkollegen verblüfft. Erstens waren sie alle jünger als ich, zweitens hatte ich Krieg, Gefangenschaft und die Erfahrung der Fabrikarbeit hinter mir. Ich hatte immer den Eindruck, dass sie keine Lebenserfahrung hatten. Ihr Leben war ohne Umwege verlaufen: Abitur, dann das Studium. Meine Kommilitonen, das waren ganz sympathische, hochgescheite Leute, aber für mich hatten sie einfach keine Lebenserfahrung. Ich war nur durch Zufall an die Universität gekommen.
Ich arbeitete in dieser Fabrik, im Trockenraum für die Bretter, als auf einmal meine Hauswirtin hineinstürzte und mir sagte, eine Postkarte sei von der Uni gekommen, ich wäre zum Studium zugelassen worden. Das war wirklich reiner Zufall, weil ich mich schon vergebens beworben hatte, nachdem endlich meine Papiere aus Italien gekommen waren.
Nun gut, so kam ich zu Spranger und wollte als Erstsemester gleich sein Hauptseminar besuchen. Ich legitimierte das mit meiner Erfahrung in der Kriegsgefangenschaft, wo ich im Auftrag des britischen Militärs Unterricht in Geschichte und Philosophie gehalten hatte. Er examinierte mich daraufhin, und weil ich alles wusste, wurde ich zum Hauptseminar zugelassen.