Die Selbsterhaltung als springender Punkt

Selbsterhaltung klingt nicht von ungefähr nach Selbstgenügsamkeit und ärmlicher Subsistenz als dem Gegenteil eines Glücksversprechens, dessen bloße Voraussetzung hier bereits zum Zweck und Ziel hypostasiert würde, etwa nach dem Motto: Zum Glück kann ich mich ja noch selbst erhalten. Als Voraussetzung begriffen ist über sie nur wie über den Materialismus, also negativ zu sprechen – im Hinblick auf »Befreiung des Geistes vom Primat der materiellen Bedürfnisse im Stand ihrer Erfüllung«. Ins Positive gewendet sedimentieren sich jedoch an ihrem Begriff wie in einem falschen Imperativ sofort auch die Formen, in denen die Individuen nach Maßgabe der Aufklärung leben und überleben sollen, als ob Unmündigkeit und Selbsterhaltung sich ausschließen würden: Du musst um deiner Mündigkeit willen dich selbst erhalten können, darfst von anderen nicht erhalten werden, Paraphrase auf das berüchtigte ›Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen‹. Verselbständigt von den Individuen und auf die Nation übertragen lautet er auf den Namen Autarkie und richtet sich in der Krise gegen den Weltmarkt, dessen Zerfall in eine Vielzahl barbarischer Einheiten er vorantreibt und damit erst recht Heteronomie, und zwar in unmittelbarer Weise, hervorbringt. Aber nur hier, wo gerade die Frage der Form zur Debatte steht, hat auch der zentrale Gedanke der Dialektik der Aufklärung, dass Selbsterhaltung als Prinzip der Vernunft in Selbstvernichtung der Vernunft übergeht, seinen Sinn. Wo sie – wie in der aufklärerischen »Wendung aufs Subjekt« – ausgeklammert wird, führt er in das Dilemma, gegen die Selbstvernichtung sich dann doch auf das quasi natürliche Bedürfnis nach Selbsterhaltung als »ein drastisches egoistisches Interesse« berufen zu müssen.

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