Die Nassrasur als inneres Erlebnis

Doch auch wenn Strauß es gerne hätte, lässt sich heutzutage ebenso wenig mit einem metaphysisch grundierten Gestus schreiben, ohne in plumpen Ästhetizismus und damit letztlich in Kitsch zu verfallen wie zu Zeiten seines literarischen Vorbilds Jünger. Während etwa in dessen Frühwerk die sprachlichen Naturalisierungen der als eine ebensolche Naturgewalt erlebten Kriegsgeschehen des Ersten Weltkriegs als ästhetisierender Reflex auf »die Sprachlosigkeit des Frontsoldaten angesichts der Inkommensurabilität des Krieges«, auf die subjektive Überwältigung durch die als naturhaft wahrgenommene schiere Übermacht eines in dieser Form noch nie Dagewesenen zu kritisieren sind, besitzen Strauß’ sprachliche Konstruktionen, mit denen er Alltagsbanalitäten wie Fleisch essen oder Rasieren zu existenziellen Erfahrungen zu stilisieren versucht, unweigerlich einen faden (wenn auch im Vergleich zu Jünger ungleich harmloseren) Beigeschmack von Kitsch. Die Entzauberung der Welt, vor der Jünger warnte, ist bereits so unwiederbringlich und vollumfänglich geschehen, dass jeder Versuch ihrer Wiederverzauberung durch Mystifizierung des Profanen in einer von Magie beseelten Sprache notwendigerweise genauso zum Scheitern verurteilt ist, wie des Protagonisten Suche nach sinnlicher Gewissheit. Die hieraus entspringende Angst, die Strauß’ Erzähler umtreibt, ist von der Jüngers daher grundlegend verschieden, wenngleich auch am Ende das selbe Resultat steht: Unwahrheit und Kitsch in Form und Sprache.

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