Tobias Ebbrecht-Hartmann

Tobias Ebbrecht-Hartmann

Lass die fernen Orte zu dir kommen…

Aharon Appelfeld und die »Durchlässigkeit der Überlieferung«

Heft 06, Frühjahr 2015 Essay

Weder kann die Tradition weiterhin in eine hermetische Form von Gesetzen und Ordnungen gebannt werden, noch kann die neue Ordnung als völlig abgelöst von der alten gestaltet werden. Dieser ›Blick in beide Richtungen‹ tangierte also auch den Zionismus selbst, der »bei Agnon als ein zwar edles, aber zum Scheitern verurteiltes Unternehmen erscheint«. Anders als die heute literarisch, kulturell und politisch den Gegensatz von – dieses Mal als fortschrittlich deklarierter – Diaspora-Identität und – als veraltetes Konzept denunzierter – zionistischer Staatlichkeit propagierenden Kritiker Israels, wussten Agnon und seine Zeitgenossen aber genau, dass »freilich alles andere noch viel schlimmer, nämlich Lug und Trug ist.« Und anders als die aktuelle nostalgische Rückbesinnung auf das ›jüdische‹ Europa vor dem Holocaust, die auch die dritte und vierte Generation von Israelis erfasst hat, war den hebräischen »Klassikern« klar: »zu dem alten Leben gibt es in unserer Zeit, was immer seine vergangene Glorie gewesen sein mag, keinen Weg zurück.«

Tobias Ebbrecht-Hartmann

Kino im Werden

Über den israelischen Film

Heft 04, Frühjahr 2014 Parataxis

Indem der ›alte Nazi‹ zum (negativen) Doppelgänger der israelischen Protagonisten wird, findet eine Vertauschung von deutscher Täter- und jüdischer Opfererfahrung statt. Der Mörder der eigenen Vorfahren wird zur Projektionsfläche der Ich-Verdopplung. Er wird zum unheimlichen Doppelgänger, nach Freud zu einer Art Ich-Instanz, »die der Selbstbeobachtung und Selbstkritik dient … und unserem Bewußtsein als ›Gewissen‹ bekannt wird.« Der Wiederholungszwang wird also gleichsam stellvertretend adaptiert. Das fehlende Schuldgefühl der Deutschen wird zum sekundären Schuldgefühl der dritten Generation in Israel. Dafür stehen die gespenstischen Nazifiguren im israelischen Kino.

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