Lieber Freund Minder,
so traurig ich bin, daß sie bei der Veranstaltung nicht zugegen waren, wo ich meine Ketzereien über Tradition vortrug – sicherlich ist der, welcher viel mehr versäumt hat, ich gewesen, weil ich nicht nach Tübingen kommen konnte. Mit wahrhaft brennendem Interesse habe ich den (gewiß unzulänglichen) Bericht über Ihren Vortrag in der FAZ gelesen. Ob es wohl möglich wäre, mir einen Durchschlag, oder so etwas, zugänglich zu machen? Noch aus dem Bericht habe ich entnommen, wie vollkommen unsere Intentionen übereinstimmen, und das ist in diesem Fall von besonderer Wichtigkeit, weil ja Methode und Ausgangspunkt so völlig verschieden sind: Sie haben sich in strikt historischen Zusammenhängen bewegt, ich in spekulativ-philosophischen und ästhetischen, aber die letzteren haben mich ebenso wie Sie auf jenes Moment als Wahrheitsgehalt der Hölderlinschen Dichtung geführt, das man vielleicht am ehesten das utopische nennen könnte. Wir haben sozusagen die Heideggerei in die Zange genommen und die deutsche Eintracht mitten ins Herz getroffen, und das sollte, an einem derart allergischen Punkt, auch seine Folgen haben. –