Simon Gansinger

Simon Gansinger

›Sie lieben den Wahn wie sich selbst‹

Zur Psychoanalyse der antisemitischen Paranoia

Heft 14, Frühjahr 2019 Essay

Die totale projektive Lösung, die den Antisemitismus auszeichnet, kulminiert in der Rückkehr des Verdrängten oder in der Vernichtung des Objekts – und in beiden Fällen bleiben die abgewehrten Inhalte bestehen. Insofern stürzt die antisemitische Paranoia ins triebökonomische deficit spending: Die subjektive Krise soll durch Ausschüttung von stets neuer Aggression überwunden werden. Der Kampf gegen die imaginäre Gefahr, den der anfangs zitierte Patriote beschwört, darf kein Ende nehmen, denn er garantiert, dass die Geister, die man rief, andernorts Beschäftigung finden. Es ist dies die archaische Logik des Krieges: Solange die Truppen im Feindesland marodieren, brandschatzen sie nicht das eigene Dorf. Würde der vom Antisemiten mobilisierte Hass die Heimkehr antreten, sich vom Objekt auf das Subjekt wenden – es würde die Implosion des Antisemitismus bedeuten. In diesem Zusammenhang dürfen wir wohl einige Bedeutung dem Umstand zusprechen, dass aus der Klinik keine Fälle von depressiven Antisemiten bekannt sind. Das ökonomische Prinzip des Antisemitismus scheint nicht kompatibel mit dem masochistischen Hass der Depression; womöglich ist die Depression gar das einzige Mittel des Ichs gegen die antisemitische Paranoia.

Alle Ausgaben

→ Jetzt Abo abschließen

Newsletter

Gerne informieren wir Sie über Neuerscheinungen, Vortragsveranstaltungen, Rezensionen usw. usf. auch via E-Mail. Hierzu können Sie sich in unseren Newsletter eintragen. 
Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich!
magnifiercrossmenuarrow-up