Was wir während dieses Tages in der Dietlstraße sahen, war aber nur ein Vorspiel der eigentlichen »Aktion«, die erst mit Anbruch der Dunkelheit in der Vorstadt Kazimierz einsetzen sollte. Kaum waren die Straßenlaternen angezündet, als schon starke Polizeistreifen in allen Gassen von Haus zu Haus und von Wohnung zu Wohnung zogen, unverschämt plündernd und raubend, was ihnen in die Augen stach, wobei die Männer geschlagen und die Mädchen und Frauen nicht selten bis aufs Hemd ausgezogen wurden und man sogar den Fußboden in den Wohnungen aufriß, um nach verborgenen Schätzen zu suchen. Bald setzte in der Vorstadt ein wildes Schießen ein, das erst am übernächsten Tag erstummen sollte, und man vernahm von drüben immer häufiger und lauter das Jammern und Wehklagen mißhandelter Menschen. … Es verging noch ein Jahr und ich selbst geriet in die Krallen der Gestapo. In Auschwitz, im KZ, gab es wieder Kinder: polnische, russische, ukrainische, vor allem aber jüdische Kinder, die hier zu Zehntausenden ihren letzten Gang in die Gaskammern antreten mußten. Auch die jüdischen Waisenkinder aus Krakau sind wahrscheinlich denselben Weg gegangen, und kein guter Vater vermochte sie zu retten. In den Lagermagazinen aber häuften sich zu Zehntausenden Kinderschuhe, und unser Obersturmführer Sauer befahl dem Capo, nette, passende Schühchen für seinen Ewald herauszusuchen.