Nikolai Schreiter

Nikolai Schreiter

Nicht an der Seite, an der Stelle Israels wollen sie sein

AfD, FPÖ und die Identifizierung mit dem imaginierten Angreifer

Heft 14, Frühjahr 2019 Essay

Der vorliegende Fall liegt aber etwas anders, weil das Interesse, das die europäischen Rechtsextremen mit Israel zu teilen glauben, ein sehr spezielles ist. Die ganze proisraelische Haltung fußt zunächst auf antisemitisch grundierten Bildern von Israel, wie die Analyse seiner doppelten Charakterisierung gezeigt hat: einerseits ›Jude unter den Staaten‹, dem so Autorität zugesprochen wird, andererseits geopolitische Reproduktion des Ausnahmejuden. Außerdem, und das wiegt schwerer, liegt das Interesse darin, sich selbst an die Stelle Israels zu setzen: An die Stelle des von allen Seiten bedrohten Opfers, das gleichzeitig stark genug und aufgrund der allseitigen Angriffe legitimiert ist, sich stark, militärisch und nationalistisch zu verteidigen. Man möchte sich selbst in der schlagkräftigen Opferrolle verbarrikadieren und imaginiert Deutschland, Österreich oder Europa als Spielball der »globalisierten Klasse«, die »die Informationen kontrolliert« und der man als »bürgerliche Mittelschicht« und »sogenannte einfache Menschen« gegenüberstehe. Die viel diskutierte Frage, ob Gauland in der zitierten Rede Adolf Hitler paraphrasierte oder dieses am Antisemitismus angelehnte Ressentiment alleine entwickelt hat, ist dabei nebensächlich. Indem sie sich selbst als Opfer stilisieren und mit Israel identifizieren, stellen sie den Antisemitismus auf eine Stufe mit vermeintlichen oder auch tatsächlichen Bedrohungen, von denen aber keine einzige in ihrer Bedrohlichkeit dem Antisemitismus auch nur ansatzweise nahekommt. So wird über die Identifizierung mit Israel der Antisemitismus verharmlost.

Nikolai Schreiter

»Eingeschleppte Parasiten«

Antiziganismus und Bettelmafia als pathische Projektion

Heft 07, Herbst 2015 Essay

Das Feindbild folgt nicht der Vorstellung von der allumfassenden Weltverschwörung und der Identifikation mit der abstrakten Seite des Kapitalverhältnisses. Dem Antiziganismus und dem Antisemitismus aber ist gemein, dass in ihren Projektionen die Menschen, auf die sie zielen, keinen Ort haben, an den sie ›eigentlich‹ gehören würden. Diese ›Ortlosigkeit‹ im Antiziganismus, die sich in der Betonung der tatsächlichen oder angeblichen östlichen Herkunft der Bettelnden und ihrer Mobilität wiederfindet, ist einer der zentralen projizierten Inhalte der falschen Gesellschaft mit ihrer notwendig nationalen Fixiertheit der fürs Ganze verzichtbaren Einzelnen, also der tendenziellen Zusammengehörigkeit von Blut und Boden.

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