Manfred Dahlmann / Christian Thalmaier

Manfred Dahlmann / Christian Thalmaier

Anmerkungen zur Logik und Geschichte des Kapitals

Anmerkungen zur Logik und Geschichte des Kapitals. Ein Gespräch (1. Teil)

Heft 11, Herbst 2017 Essay

Christian Thalmaier: Wir hatten den Hegelschen Begriff des Verschwindens als Verlaufsform des Gebrauchswerts in der politischen Ökonomie verwendet. Das wird vielfach missverstanden. Da erscheint der Gebrauchswert als gutes Tier, das im Käfig des Tauschwerts festgehalten und auf Befreier aus der Tierschutzszene warten würde, wenn es denn reflektieren könnte. Aber man sieht gar nichts in diesem Käfig, man sieht vielleicht durch ihn hindurch. Es kommt also auf den Gebrauchswert nur als Voraussetzung des prozessierenden Werts im Modus seines permanenten Verschwindens an.
Manfred Dahlmann: Und er soll möglichst schnell verschwinden, und mit ihm die an ihn gebundene Ware. Der Grund dafür ist die dem Kapital, der Verwertung des Werts also, immanente Tendenz, seine Umlaufgeschwindigkeit gegen null gehen zu lassen. Wie Joachim Bruhn als ein von Marx erkanntes, von dessen Interpreten aber missachtete Prinzip ermittelt hat: Die optimale Zeit des Kapitals ist die Nullzeit, eine Zeit, in der die Warenproduktion auf den Gebrauchswert keine Rücksicht mehr zu nehmen braucht.
CT: … weil die Produktion unmittelbar mit Distribution und Konsumtion zusammenfiele. In diesem schwarzen Loch des Kapitals gäbe es dann freilich überhaupt keinen Wert mehr.
MD: In der Tat. So weit sind wir aber, zu unserem Glück, noch nicht wirklich. (Auch wenn zuzugestehen ist, dass wir nur dank des Siegs der Alliierten über Deutschland einen Aufschub bekommen haben, bevor wir endgültig in diesem Loch verschwinden.) Zurzeit gibt es ja einen neuen Versuch, die Ökonomie derart umzugestalten, dass ein von Grund auf neuer Produktionszyklus in Gang gesetzt wird, der die gegebenen Gebrauchswerte veralten lässt, indem sie durch neue, wieder effektive ersetzt werden. Dabei geht es um die Verlangsamung des von uns verursachten Klimawandels, was die Notwendigkeit impliziert, die Produktionsstrukturen derart umfassend umzugestalten, auf dass (vergleichbar der Digitalisierung ab den 1980er Jahren) sich ein Kosmos eröffnet, der eine riesige Menge neu geschaffener, gebrauchswerthaltiger Waren aufnehmen kann. Ich bin, und mit mir wohl kaum ein vernunftbegabter Mensch, absolut nicht gegen die Verringerung des CO2-Ausstoßes in die Atmosphäre, aber man muss sehen, dass man es hier mit mehr oder weniger vorbewussten Anstrengungen zu tun hat, die Ersetzung von Arbeit durch Technologie auf eine neue Stufe zu heben und die politische Ökonomie durch Erneuerung der libidinösen Objektbesetzungen der Konsumenten am Laufen zu halten. Als eine der wichtigsten Fragen wäre an diese, von der Anschauung aus gesehen, ja wünschenswerte Entwicklung die zu stellen, wie in ihr die herrschaftliche Gewalt (des Kapitals) weiterhin präsent und wirksam bleibt.

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