Nach so vielen Jahren habe ich diesen Text wieder gelesen. Im Nachhinein wirkt er auf mich wie die Beschreibung des Besuchs eines Orts und des Abschieds aus eben diesem Ort. Wenn man einen Ort verloren hat und an einem anderen Ort gestrandet ist, der neu und fremd ist, kann es sein, dass man bereit ist, die Formen des Neuen anzunehmen. Und es gibt nichts, das aus dem Vergangenen Gültigkeit behält. Selbst wenn die Sprache die gleichen Laute hat, so sind ihre Bedeutungen doch andere.
Sie hat früh gelernt zu kämpfen. Um ein Überleben in einer Welt, in der sie nicht mehr vorgesehen war. Was, so was gibt es noch, ich denke, die sind alle tot. In einer Welt, in der die Erinnerung »daran« das Lästigste ist, das es gibt. In einer Welt, die sie abgeschnitten hat von ihrer eigenen Sprache, ihrer eigenen Kultur, ihren eigenen Traditionen; in einer Welt, die sie sich einverleiben will, die sie einatmen will. In der sie nur als eine Sechsmillionenmasse existiert. In einer Welt, in der Antisemitismus und Rassismus so normal sind, daß die »Anderen« verrückt gemacht werden müssen, um dieser Realität willen. In der »ein Gespräch über Bäume«, wie Brecht sagt, »fast ein Verbrechen ist. Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt.«