Im Frühjahr 2020 entbrannte in Deutschland eine Debatte um Achille Mbembe. Dabei ging es um das Verhältnis der Shoah zu anderen modernen Gewaltverbrechen, den Status der Shoah in der deutschen Erinnerungskultur sowie die definitorische Reichweite des Antisemitismus-Begriffs. Seither gehört die Mbembe-Debatte zum Referenzpunkt aller weiteren Diskussionen über den Antisemitismus des ›globalen Südens‹, den Elementen antisemitischer Ideologie in postkolonialen Theorien, wie es das niederträchtige Schauspiel, das vor, während und nach der documenta 15 ablief, zeigte. Es ist zur schlechten Mode verkommen, vom Inhalt inkriminierter Äußerungen zu abstrahieren, um vermeintliche ›Sprechpositionen‹ zum bestimmenden Kriterium für die Beurteilung antisemitischer Äußerungen zu machen. Hier soll es daher darum gehen, Mbembes Verhältnis zum Judenstaat sowie zum Nationalsozialismus zu thematisieren. Keineswegs ist es so, dass sich Mbembe, wie die Postcolonials stets weismachen wollen, ›nur‹ über den israelischen Kolonialismus äußere und die Judenvernichtung in einer allgemeinen Gewalt- und Kolonialgeschichte ›bloß‹ auflöse; er greift das Judentum selbst an.