Joel Naber

Joel Naber

Der kleine Charlie als gutes Objekt

Was am siebten Januar getötet wurde

Heft 06, Frühjahr 2015 Parataxis

Der Marsch in Paris vom 11. Januar war also ein Trauermarsch, eine Beerdigung. Beerdigt wurde die Freiheit des Denkens und des Ausdrucks. Beides ist ja untrennbar miteinander verbunden. Warum hatte es zuvor keine derartigen Trauermärsche, etwa nach den islamistischen Morden an Juden in Toulouse und Brüssel, gegeben? Weil die Mehrheit sich innerlich längst damit abgefunden hat, dass die Juden geopfert werden sollen. Der eigene Superioritätsverlust des Westens über den Islam hingegen wurde im kollektiven Bewusstseinsbild geleugnet: Deshalb gibt das, was die Europäer und die Franzosen mit dem Massaker an Charlie Hebdo erlebt haben, ihnen zum ersten Mal wirklich ein Gefühl davon, wie es ist, als Dhimmi zu leben. Und doch wissen alle Nichtjuden, dass sie angesichts des Terrors eine Wahl haben – während die Juden keine haben. Dass man sie, die Nichtjuden, zwingen möchte, die Unterwerfung zu wählen, und dass sie insgeheim wissen, dass sie die Unterwerfung wählen werden, hat eine große Zahl von Menschen schmerzlich getroffen.

Joel Naber

Masse Macht Humor

Über Dieudonné, die Attraktion der Barbarei und die Einsamkeit ihrer Gegner

Heft 04, Frühjahr 2014 Parataxis

Was ist so besonders an Dieudonné? Vielleicht ist gar nichts Besonderes an ihm, besonders und phänomenal ist allein sein Erfolg, sein Massenappeal. Dafür darf man ja gerade nichts Besonderes an sich haben, das Besondere ist ja das, was gehasst wird. Indem man das Banale bewundert – die banale Gewalt, den banalen Hass, die banale Verleugnung, das banale Nichtwissenwollen – und ihm gehorcht, rächt man sich am Besonderen. Dieses verbreitete Ressentiment machen die Faschisten sich zunutze und schaffen damit ihre furchtbaren Fakten, die Gewalt, die sich das Besondere aneignen will, indem sie es vernichtet.

Joel Naber

Verleugnung des Namens

Die ›Affäre Badiou-Winter‹ in Les Temps Modernes

Heft 02, Frühjahr 2013 Essay

Badiou will dem Namen des Juden die historische gewordene Bedeutung austreiben, um die post-christliche Projektion darin herrschen zu lassen. Und bei aller echt-unechten Identifikation und Einfühlung ist doch deutlich, dass es eine Grenze der Universalisierung auch dieses christlich-humanitären Judenbildes gibt: Denn der Juif Errant, der ewige, wandernde Jude ist zugleich immer der verfluchte Jude – der Jude, den man von überall nach Belieben wieder vertreiben kann.

Joel Naber

Es steht 99 zu eins: Antikapitalistische Zahlenmystik

Heft 01, Herbst 2012 Parataxis

Von der Zweidrittel-Gesellschaft über die 20:80-Welt hin zur 99:1-Community. Im Zeitraffer der Rückschau mutet die Reihe an wie ein durch Erfolgsdruck ausgelöster rasanter Preisverfall, und die Teilnahme am Protest ist ja auch tatsächlich derzeit so ›billig‹ zu haben wie noch nie. Zugleich zeigt sie, in welchem Maße der Antikapitalismus aus sich selbst heraus danach drängt, sich in all seinen Ausdrucks- und Denkformen gerade dem, was er zu bekämpfen behauptet, mimetisch restlos anzugleichen.

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