Jan Süselbeck

Jan Süselbeck

Philosemitismus und imaginierte Weiblichkeit

Über Karl Gutzkows Roman »Wally, die Zweiflerin«

Heft 05, Herbst 2014 Essay

Das Schwanken einer Frauenfigur wie Wally zwischen der Hure und der Heiligen, dem bei Gutzkow die Stereotypien der ›schönen Jüdin‹ beigesellt werden, verstört an diesem Roman bereits genug. Dann jedoch taucht auch noch Delphine auf, der selbst Wally als Frau jede geistige Eigenständigkeit abspricht: Wallys zitierte strenge Empfehlung, Cäsar solle Delphine gefälligst zur Lektüre anhalten, liest sich dabei wie eine Chiffre zeittypischer Assimilationsforderungen gegenüber der jüdischen Minderheit, die Gutzkows Text allerdings trickreich im empfindsamen ›Poesiealbum‹ weiblicher Tagebuchnotizen über mögliche Formen der eigenen Emanzipation camoufliert. Im Blick auf das leidige Problem der Intention kann man hier tatsächlich nur spekulieren: Jenes Schwanken resultierte im Bewusstsein des Autors womöglich aus der Abspaltung eines verdrängten Unheimlichen im Eigenen der Triebstruktur, deren Manifestationen er trotz seines betonten Altruismus gegen über den Frauen und dem Judentum nicht unter Kontrolle zu bringen vermochte.

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