Frederik Fuß

Frederik Fuß

Nicht-Orte im (Un-)Recht

Menschenrechte in Guantanamo – oder: Die Grenzen des juristischen Verstands

Heft 10, Frühjahr 2017 Parataxis

Auch hat sich der ›Alltag‹ der Gefangenen durch ihren wiedererlangten Status als Rechtssubjekt nicht automatisch verbessert. Nachdem bereits 2002 Camp X-Ray aus Platzmangel geschlossen wurde, verschärfte sich, durch die Eröffnung des Komplexes von Camp Delta, der aus sechs Lagern besteht, die Lage der Gefangenen. Denn litten in Camp X-Ray noch alle gleichermaßen unter den schlechten Bedingungen, wurde nun ein System installiert, in welchem mit Privilegien Häftlinge gegeneinander ausgespielt werden konnten, was freilich auch tendenziell der Praxis in vielen Gefängnissen innerhalb der Rechtsstaaten entspricht. Die Geschichte von Guantanamo zeigt so gesehen, dass die Grenzen zwischen Ort und Nicht-Ort des Rechts, rule of law und Herrschaft des Rackets durchaus fließend sind. In der Debatte, die nun seit mehr als zehn Jahren über Guantanamo geführt wird, werden die USA aller möglicher Menschenrechtsverletzungen bezichtigt; die Vorwürfe entstammen zum einem dem tatsächlichen Schrecken über das Vorgehen in Guantanamo, zum anderen der eigenen Ohnmacht und der ideologischen Wirkmächtigkeit der Menschenrechte und ihren auf der Grundlage der bestehenden Verhältnisse nicht einlösbaren Versprechen von einem guten Leben für alle, woraus sich wiederum die Uneinsichtigkeit speist, dass die Menschenrechte für ihre universelle Gültigkeit einen über den Staaten regierenden Souverän bräuchten, den es nicht geben kann: Das Gewaltmonopol, auf dem Souveränität beruht, ist nur möglich durch das potentiell feindliche Verhältnis der Staaten zueinander. Seine Unmöglichkeit wird gerade von jenen Vereinten Nationen unter Beweis gestellt, die als dieser Souverän imaginiert werden.

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