Florian Müller

Florian Müller

»Eine Art psychoanalytischer Roman«

Versuch über Döblins Hamlet-Roman

Heft 24, Sommer 2024 Essay

In der Beziehung zwischen Gordon und Alice zeigt Döblin die Verschränkung von Liebe und Hass, die Freud in seinen späten Schriften, zuerst in Jenseits des Lustprinzips, im Dualismus von Eros und Todestrieb darlegte. Nicht zufällig arbeitet Freud seine Theorien über den Todestrieb und den Wiederholungszwang anhand klinischen Materials Kriegstraumatisierter des Ersten Weltkriegs aus. Er nennt sie Spekulationen, nimmt aber klinische Beobachtungen zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Sowohl im Gegensatz von Vater und Sohn als auch zwischen den Elternfiguren wird dieser Dualismus thematisch. Edward verkörpert den Lebenstrieb, den Willen und Drang zum Leben, während Gordon und Alice nicht nur den Todestrieb, sondern dessen Vereinigung mit dem Eros, die sich in ihrem Liebeshass zeigt, verkörpern. Wie Freud schreibt, treten die beiden Triebarten – Eros und Todestrieb – nicht isoliert voneinander auf, sondern legieren sich in verschiedenen Mengungsverhältnissen, wie es in der sadomasochistischen Beziehung von Alice und Gordon deutlich wird. In gewisser Weise hat Döblin Freuds Todestriebhypothese im Hamlet-Roman literarisch ausformuliert, indem er die individuellen und kollektiven Selbstzerstörungstendenzen bloßgelegt hat: »Der Tod, nein, der Mord steckt tief in der Welt.«

Florian Müller

Vom Trieb zum Begehren

Über das Verschwinden des Ödipus

Heft 14, Frühjahr 2019 Essay

Der Begriff des Begehrens, der weniger mythisch und unbestimmt anklingt, aber auch vom Anstößigen der Triebe bereinigt ist, soll es offenbar ermöglichen, die Sexualität nicht nur von ihren biologischen Restbeständen zu befreien, sondern auch deren Entstehung explizit sozialisationstheoretisch zu begreifen. Mit Rekurs auf Butler und Laplanche, der sich zwar vom Strukturalismus Lacans distanziert, ihn aber nicht überwindet, wird eine Revision der Freudschen Trieblehre unternommen, um die Sexualität im psychoanalytischen Diskurs zu retten, doch erscheint sie eher als Wunsch im Begehren, eine reine Liebe und Sexualität zu erhalten, die, vom Trieb gereinigt, alles Anstößige beseitigt hat. Von Leidenschaft, die in ihrer Doppelseitigkeit auch das Leid bereits im Begriff enthält, ist schon längst keine Rede mehr.

Florian Müller

»Beide haben recht… Marx und Freud«

Zur Aktualität Siegfried Bernfelds

Heft 07, Herbst 2015 Parataxis

Bernfeld verwirft auch die Idee, mittels »richtiger« Pädagogik den idealen Menschentyp erziehen zu können und kritisiert an ihr, was auch Adorno in den 60er Jahren über Pädagogik geschrieben hat, dass sie mit »Tiefsinn aus zweiter Hand übers Sein des Menschen … schwafel(t)«. Er wirft der Pädagogik Unwissenschaftlichkeit vor, da sie sich nach den Maßgaben der Gesellschaft richte und eine konservative Funktion einnehme: das Bestehende zu erhalten. Da der Erziehungsprozess, den die Pädagogik wissenschaftlich untermauern möchte, von unbewussten Prozessen bestimmt wird und einen subjektiven Faktor enthält, der in der Person des Erziehers oder Lehrers gegeben ist, ist es der Pädagogik nicht möglich, Aussagen darüber zu treffen, ob die von ihr entworfenen Erziehungsmittel zur Erlangung ihrer Ziele beitragen oder nicht.

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