Florian Markl
Die amerikanische Iran-Lobby: Wenn eine Verschwörung nicht nur Theorie ist
Was genau Malleys erzwungenen Abgang als Iran-Sonderbeauftragter im April 2023 bewirkte, ist nach wie vor unklar. Bekannt wurde lediglich, dass er auf unbezahlten Urlaub geschickt wurde, nachdem ihm offenbar wegen eines problematischen Umgangs mit geheimen Unterlagen die Sicherheitsfreigabe entzogen worden war. Um welche Materialien es sich dabei gehandelt hat und worin sein missbräuchlicher Umgang bestanden haben soll, darüber hat die US-Regierung bis heute keine Auskunft erteilt.
Die Informationen, die über die Malley-Affäre bisher an die Öffentlichkeit gekommen sind, stammen pikanterweise zumeist nicht von amerikanischen Behörden, sondern ausgerechnet mit der Tehran Times von einer Tageszeitung, die dem iranischen Regime nahesteht. Mitte Juli etwa berichtete das Blatt, Malleys Suspendierung sei die Folge von »geheimen Gesprächen mit einem hochrangigen iranischen Diplomaten bei den Vereinten Nationen und seinen verdächtigen Interaktionen mit inoffiziellen Beratern iranischer Herkunft« gewesen.
Florian Markl
Zwei Jahre Abraham-Abkommen
Der jahrzehntelange Boykott Israels durch die Arabische Liga war einst der Versuch, mit wirtschaftlichen Mitteln »die Ziele zu verwirklichen, die mit dem militärischen Feldzug nicht erreicht werden konnten«, so der spätere ägyptische UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali im Rückblick. Nach der arabischen Niederlage im israelischen Unabhängigkeitskrieg ging es also darum, den jüdischen Staat ökonomisch zu strangulieren und auf diesem Wege dessen Existenzbasis zu zerstören. Rund drei Jahrzehnte gelang es den arabischen Staaten tatsächlich, mit ihrem Boykott wirtschaftlichen Druck auszuüben, nicht zuletzt, weil westliche Firmen aus Angst um ihre Geschäfte in der arabischen Welt mit den Boykottbüros kooperierten und Niederlassungen in Israel schlossen oder gar nicht erst eröffneten. Aber seit den 1970er Jahren begann die wirtschaftliche Blockade infolge der Verabschiedung von Anti-Boykott-Gesetzen in mehreren westlichen Staaten deutlich an Kraft zu verlieren. Der Boykott wurde zunehmend nicht oder nur mehr sehr lückenhaft befolgt, und mit dem israelisch-palästinensischen Friedensprozess in den 1990er Jahren wurde er von vielen arabischen Ländern ausgesetzt. Auch wenn er nie offiziell aufgehoben wurde, ist er heute praktisch tot.
Florian Markl
Israel-Boykotteure in der Sackgasse
Wie Matthias Becker in seiner Analyse anti-israelischer Projektionen unter der Leserschaft der deutschen Zeit und des britischen Guardian zeigt, verbinden sich in dem linken Milieu des Königreichs, aus dem sich auch die BDS-Aktivisten rekrutieren, eine distanziert-kritische Haltung zu wesentlichen Aspekten britischer Vergangenheit und das Bedürfnis, sich von der Last dieser Vergangenheit zu befreien, mit einer ausgeprägt antiisraelischen Haltung. Der jüdische Staat erscheint dergestalt als aktualisierte Fortsetzung der verachteten Aspekte britischer Kolonialgeschichte. »Durch die dämonisierende Behauptung, Israel betreibe eine solche Form der Herrschaftsausübung im 21. Jahrhundert [wie ehemals das britische Empire, Anm. F. M.], werden Kolonialverbrechen in der britischen Vergangenheit relativiert und die britische Wir-Gruppe entlastet.« Das Ergebnis dieser ideologischen Gemengelage ist eine besondere Ausprägung von Entlastungsantisemitismus, die eine ähnliche Funktion erfüllt wie Gleichsetzungen Israels mit dem Nationalsozialismus in Deutschland oder Österreich.
Florian Markl
Der Ursprung der Israel-Boykottbewegung
Die Erklärung, die just in einer Zeit verabschiedet wurde, in der palästinensische Terroristen praktisch täglich blutige Selbstmordattentate in Israel verübten – und nur wenige Tage vor den Anschlägen vom 11. September –, war von derart ausgeprägtem Hass auf den jüdischen Staat charakterisiert, dass sich selbst Organisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International, die selbst oft anti-israelische Berichte veröffentlichen, zumindest im Nachhinein von ihr distanzierten. In sie hatten all die hetzerischen Behauptungen und Forderungen Eingang gefunden, die beim Teheraner Vorbereitungstreffen ersonnen worden waren – inklusive der Forderung nach einem umfassenden Boykott Israels. Sie war die wahre Geburtsstunde der zeitgenössischen BDS-Bewegung. Der Weg führte somit mehr oder minder direkt von Teheran nach Durban – und von dort zu dem Aufruf, auf den sich die BDS-Bewegung beruft.
Florian Markl
Iran-Deal und Jew-Tracker
Obamas Abkommen mit der Islamischen Republik und die Folgen
Die Stimmungslage, die in den Meinungsumfragen Ausdruck fand und sich auch im US-Kongress niederschlug, war präzedenzlos: Noch nie zuvor hat es eine vergleichbare Situation gegeben, in der eine US-Administration ein Abkommen aushandelt, das ihren Behauptungen zufolge von welthistorischer Bedeutung sei, die Verbreitung von Nuklearwaffen verhindere und das Risiko eines erneuten Krieges im Nahen Osten reduziere – und dafür von einer Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung und der Kongressabgeordneten aus beiden Parteien Ablehnung erntet.
Einen Schritt weiter als der Präsident und seine Hofschranzen ging die New York Times. Sie veröffentlichte auf ihrer Webseite eine Grafik, in der alle Abgeordneten verzeichnet waren, die im Kongress gegen den Iran-Deal gestimmt hatten – und hob, grafisch passender Weise mit gelber Farbe versehen, hervor, ob es sich bei den Abgeordneten um Juden handelte und wie hoch der Anteil der Juden im jeweiligen Bundesstaat ist. Zu Recht bezeichnete Adam Kredo vom Washington Free Beacon die Grafik schlicht als »Jew-Tracker«. Der Eindruck, der erweckt wurde, war eindeutig: Gegner des Iran-Deals seien entweder selbst Juden oder würden von ihrer jüdischen Wählerschaft unter Druck gesetzt, stellten aber in jedem Fall Partikularinteressen über amerikanische Interessen. In Kombination mit der von Obama propagierten Argumentationslinie, der zufolge es sich bei Gegnern des Deals um Kriegstreiber handle, die lieber heute als morgen Teheran bombardieren wollten, wurde das alte antisemitische Stereotyp vom kriegstreiberischen und illoyalen Juden neu aufgewärmt.
Florian Markl
Kerrys Krieg
Friedensverhandlungen forcieren, Eskalation bewirken
Unter dem Strich hatte die Hamas jedoch wenig zu bieten, um all die Zerstörungen im Gazastreifen und all das Leid, das sie über die eigene Bevölkerung gebracht hat, zu rechtfertigen. Trotz wochenlangem Dauerbeschusses mit über viertausend Raketen blieben die Folgen des Krieges in Israel überschaubar; dem Raketenabwehrsystem ›Iron Dome‹ war zu verdanken, dass sich unter den insgesamt 73 Opfern auf israelischer Seite nur sieben Zivilisten befanden. Demgegenüber befanden sich unter den über 2100 Opfern im Gazastreifen rund tausend Kämpfer und einige führende Kader der Hamas, des Islamischen Dschihad und anderer Terrororganisationen. Am Ende musste die Hamas ihren Krieg gegen Israel unter Konditionen beenden, die sie schon Wochen vorher hätte haben können und die sich im Grunde von Status quo ante kaum unterschieden. Sie hat ohne jeden nennenswerten Erfolg all die Angriffstunnels nach Israel verloren, die sie in den letzten Jahren mit enormen Kosten und mit großen Mühen gegraben hatte; sie hat einen Großteil ihres Raketenarsenals verloren, das sie nicht ohne Weiteres einfach ersetzen kann; militärisch hat sie kaum greifbare Erfolge vorzuweisen – es gelang ihr beispielsweise nicht einmal, auch nur einen einzigen der israelischen Soldaten zu verschleppen, die im Gazastreifen operierten –; politisch hat sich an ihrer Isolation nichts geändert. Ganz im Gegenteil: Große Teile der arabischen Staatenwelt haben nicht einmal Lippenbekenntnisse zur Unterstützung ihres Krieges abgegeben.
Florian Markl
Bush, Obama und die europäische Ideologie
Anders als bei Bush rennt der europäische Multilateralismus bei Obama offene Türen ein. Bei ihm trifft er auf einen Präsidenten, dessen Blick auf die Vergangenheit ein Amerika zeigt, das oftmals aggressiv und bevormundend aufgetreten sei, das in seiner arroganten Orientierung an den eigenen Interessen vom Iran über Vietnam bis hin zum Irak etliche Fehlschläge und so manch regelrechtes Verbrechen produziert habe, und das heute dringend gefragt sei, seine Beziehungen zum Rest der Welt auf eine neue Grundlage zu stellen. Der beste Weg dazu sei es, die USA in die ›internationale Gemeinschaft‹ und in multilaterale Institutionen einzubinden und so sicherzustellen, dass die amerikanische Macht im erforderlichen Maße zurück- beziehungsweise von weiteren Alleingängen abgehalten werde.
Florian Markl
Fürchtet Gott, aber nicht mehr die USA
Über die Selbstdemontage des Hegemons in der Syrien-Frage
In den wenigen Wochen zwischen den Giftgasangriffen vom 21. August und dem Sicherheitsratsbeschluss am 27. September erreichte die Selbstdemontage der USA unter Präsident Obama einen neuen Höhepunkt. Dramatisch ist nicht nur der weitgehend selbstverschuldete amerikanische Einflussverlust, Resultat einer Politik, in der Verbündete fallen gelassen, unter Druck gesetzt, bloßgestellt oder vor den Kopf gestoßen werden, während Widersacher und Feinde dagegen umworben und gestärkt werden. Dramatisch ist auch, wie realitätsfremd Obama dieses Desaster als Erfolg betrachtet, wenn er beispielsweise in seiner Rede vor der UN-Generalversammlung im September 2013 allen Ernstes behauptet, dank der Arbeit seiner Regierung sei die Welt heute ein stabilerer Ort als vor fünf Jahren.
Florian Markl
Self-fulfilling Prophecies: Das syrische Desaster
Mit Sicherheit waren die Rahmenbedingungen für eine ausländische Militärintervention in Syrien anders und weitaus schwieriger gelagert, als das bei dem relativ unkomplizierten Einsatz in Libyen der Fall war. Doch der Westen verweigerte sich auch anderen möglichen Formen der Unterstützung, die unterhalb der Schwelle eines direkten militärischen Eingreifens lagen. Und nicht nur das: Durch die Schritte, die tatsächlich gesetzt wurden, trug er maßgeblich dazu bei, die Situation in Syrien sogar noch zu verschlimmern.
Florian Markl
Gewählter Niedergang: Außenpolitik der Obama-Administration
Als Obama Anfang 2012 einen Niedergang der Vereinigten Staaten in Abrede stellte, stützte er sich auf einen ungewöhnlichen Zeugen. Während eines informellen Treffens mit wichtigen Journalisten im Vorfeld seiner Rede zur Lage der Nation bezog er sich ausführlich auf einen Artikel, der kurz zuvor in The New Republic erschienen war. Der Text war für ihn in zweifacher Hinsicht eine Steilvorlage. Einerseits bezeichnete der Autor die populären Niedergangs-Theorien als »Mythen«. Zwar stünden die Vereinigten Staaten durchaus vor einer Reihe von Problemen, aber in dieser Situation seien die Amerikaner schon öfters gewesen, und stets seien sie in der Lage gewesen, schwierige Situationen erfolgreich zu bewältigen. Das war genau die Art von Optimismus, die Obama zu Beginn eines Wahljahres brauchen konnte. Andererseits gewann der Text durch die Person seines Autors für den Präsidenten enorm an Wert: Der Historiker, Außenpolitikexperte der Brookings Institution und Kolumnist der Washington Post Robert Kagan gilt als einer der wichtigsten Denker der Neo-Konservativen – und gehört zum außen- und sicherheitspolitischen Beraterteam Mitt Romneys, des Konkurrenten Obamas im Kampf um das Weiße Haus. Romney hatte auf seinen Wahlkampfveranstaltungen immer wieder Obamas außenpolitische Kompetenz infrage gestellt und ihn als den Präsidenten des amerikanischen Niedergangs porträtiert. Was konnte dem Amtsinhaber Besseres geschehen, als mit Hinweis auf den Artikel eines wichtigen Romney-Beraters die These vom amerikanischen Niedergang als »Mythos« zurückzuweisen und damit der republikanischen Propaganda den Wind aus den Segeln zu nehmen?
Florian Markl
Gefährliche Märchen
Arabische Aufstände und westliche Revolutionsromantik
Spätestens seit der Parlamentswahl in Ägypten, bei der Muslimbrüder und Salafisten zusammen rund 65 Prozent der Stimmen und 70 Prozent der Mandate gewannen, konnte einfach nicht mehr in Abrede gestellt werden, was kritische Beobachter von Anfang an vorhersagt hatten: dass die Islamisten die großen Gewinner der Umwälzungen sind. Nun lautete die neue Interpretation: Die Islamisten haben zwar gewonnen, aber das sei nicht weiter beunruhigend, denn in Wirklichkeit seien sie im Grunde ja »moderate« Demokraten, sozusagen die muslimischen Pendants zu christlichen Volksparteien in Europa.