Antisemitismus und Kulturrelativismus entspringen demselben Impuls zur theoretischen und in der Konsequenz praktischen Willkür, dem Drang nach totaler Herrschaft über die Objekte und die Menschen, die von keinem empirischen, geschweige denn kritischen Einspruch aufgehalten wird. Indem die Kulturrelativisten aus dem Nationalsozialismus eine »Variante des abendländischen Rassismus zum internen Gebrauch« machten, anstatt ihn als barbarische Liquidierung der Widersprüche des bürgerlichen Liberalismus zu kritisieren, wurden sie selbst zu Komplizen seiner Verdrängung. Es ist heute eindeutiger denn je, dass die westlichen Islamdebatten wenig bis gar nichts mit den Problemen von Einwanderern aus sogenannten islamischen Ländern zu tun haben, dafür sehr viel mit den Identitätsproblemen der hiesigen Mehrheitsbevölkerung.
Die westlichen Israelkritiker goutieren den djihadistischen eliminatorischen Antizionismus, ohne ihn jedoch selbst exekutieren oder verantworten zu wollen. Die islamistischen „Anderen“ können nicht kritisiert werden, da sie sich aufgrund ihrer vermeintlichen kulturellen Differenz im Jenseits des Orbits einer universellen Aufklärung befinden, die wiederum als eurozentrisch abgestempelt wird. Genausowenig wollen sich aber die westlichen Claqueure kritisieren lassen, da sie sich nicht selbst als Islamisten verstehen, sondern »nur« deren Motive als »progressive« nobilitieren. Israel bliebe, würde es dieser Gegenlogik folgen, nur die Auflösung, und zwar in Erfüllung zweier sich ausschließender Ansprüche: den Vorposten des Weltjudentums auf muslimischem Boden zu tilgen und gleichzeitig den verstockten jüdischen Partikularismus gegenüber einem sich als postnational verstehenden Europa aufzugeben.