Badiou ist ein typisches Beispiel für diesen neuen Antisemitismus. In seiner aus Maoismus, Platonismus und Politikfeindlichkeit zusammengebastelten Philosophie gelten die Hisbollah und die Hamas als Verkörperungen von Zukunftshoffnungen. Bekannt ist auch, dass Günter Grass, der mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde (auch wenn er seit Jahrzehnten keine nennenswerten Texte produziert), Israel als die wichtigste Quelle der Kriegsgefahr ansieht. Gianni Vattimo, der vor kurzem noch als Abgeordneter im Europaparlament saß, greift in Interviews Israel mit unverschleierten antisemitischen Obertönen an. Es mag aber weniger bekannt sein, dass die Hauptattraktion der Berliner Biennale 2012 ein künstlerisch bedeutungsloses Ausstellungsobjekt war, der sogenannte Key of Return, ein uninteressanter, doch politisch umso wirkungsvollerer riesiger Gegenstand, der in einem palästinensischen ›Flüchtlingslager‹ namens Aida hergestellt wurde, um mehr als ein Monat lang nach Berlin transportiert zu werden. Key of Return symbolisierte die ›Rückeroberung‹ des gesamten israelischen Staatsgebietes. Werner Fleischer berichtete in seinem Artikel in der Zeitschrift sans phrase (1/2012) von der brieflichen Solidaritätsbekundung der Ausstellungsteilnehmer mit Günter Grass. ›Kulturkritische‹ Bewegungen gab es auch schon früher, welche mit Parolen wie »Lasst uns die Museen vernichten!« oder »Weg mit Kunst als Ware!« mobilisierten und manchmal auch gute zeitgemäße Werke förderten, sie verbanden sich jedoch mit keinerlei Antisemitismus, mit keinerlei Rassismus, geschweige denn mit Israelfeindlichkeit. Was ist denn geschehen?