Indem Mahler in diesem Trauermarsch vordergründig die formalen Forderungen der Gattung Trauermarsch erfüllt, ihren Ausdrucksgehalt aber unterläuft, kann sein Trauermarsch als eine Kritik an dieser Gattung und deren politischen Implikationen verstanden werden. Der Marschteil vertritt traditionell den pathetischen, heldenhaften Soldatentod für die Nation, der Trio-Teil den Trost, dass dieser Tod sinnvoll war. Anders aber Mahlers Trauermarsch: Der A Teil ist seltsam unheroisch: die Fanfare steht in Moll und bricht bald in sich zusammen. Der Marsch kommt nicht richtig in Bewegung, sie stockt. Das Marschthema ist nicht heroisch-pathetisch, sondern schwach, weinerlich, kreisend. Auch die Trios sind nicht tröstend. Die As-Dur-Episode des A-Teils verweist darauf, wie ein Trio, wie Trost aussehen könnte – ebenso wie das Liedzitat. Aber ein echtes Trio bleibt aus. Was bleibt ist das erste Trio (erster B Teil), das Gewalt, Angst, Panik, Raserei und Wildheit ausdrückt, und das zweite Trio (zweiter B Teil), das zwar anhebt wie ein Trio, sich mit seinem thematischen Material aber nicht etwa auf das vorangegangene Liedzitat aus »Nun will die Sonn’ so hell aufgeh’n« bezieht. Ein solcher Bezug böte die Möglichkeit, dem Liedtext gleich, mit dem (falschen) Trost der Affirmation der Allgemeinheit zu enden; so zu tun »als sei die Nacht kein Unglück gescheh’n.« Stattdessen ist das zweite Trio durchsetzt von thematischem Material des ersten Trios, trägt so dessen Gewalt in sich. Es wird nicht bewältigt oder aufgehoben und zu einem versöhnlichen Ende geführt, sondern gipfelt in dem dissonanten »Klagend«-Akkord. Auf Affirmation oder Trost wird verzichtet, Gewalt und Leid behalten das letzte Wort, Sinn bleibt aus. Was bleibt ist Klage angesichts des Leids. Der Trauermarsch in Mahlers Fünfter Symphonie erhebt Einspruch gegen die Gattungstradition mit ihrer Verklärung des Todes.